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Veröffentlicht am: Artikel

Bedarfsanalyse

Wozu dient eine Bedarfsanalyse?

Projekte im Rahmen des Bundesprogramm verfolgen das Ziel, den Zusammenhalt der lokalen Gesellschaft zu stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Projekte dort ansetzen, wo es vor Ort einen Handlungsbedarf gibt.

Anders gesagt: Wenn es keinen Handlungsbedarf gibt, dann ist die Förderung eines Projektes nicht zu rechtfertigen. Ob es vor Ort Handlungsbedarf gibt und an welcher Stelle, das ermittelt man über eine Bedarfsanalyse.

Ein Handlungsbedarf kann in zweierlei Hinsicht bestehen:

  1. Es gibt ein klar definierbares Problem vor Ort, das den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der lokalen Gesellschaft beeinträchtigt. Das Ziel des Projekts ist es, dieses Problem zu überwinden. 
  2. In der lokalen Gesellschaft soll der gesellschaftliche Zusammenhalt anhand einer gemeinsamen Vorstellung (z.B. der von vielen Bürgerinnen und Bürgern geäußerte Wunsch nach mehr Begegnungsorten) weiterentwickelt, gestärkt und langfristig gesichert werden. Diese Vorstellung wurde gemeinsam mit den Mitgliedern dieser lokalen Gesellschaft entwickelt. Das Ziel des Projekts ist es, diese Vorstellung für ein noch besseres Zusammenleben zu verwirklichen.
  • Welche Funktionen erfüllt die Bedarfsanalyse im Rahmen der Projektumsetzung?

    1. Sie muss einen lokalen Handlungsbedarf (und ggfs. eine konkrete Zielgruppe) aufzeigen, der begründet, warum die Förderung eines Projekts notwendig ist.
    2. Sie gibt Orientierung, welche Projektaktivitäten geeignet sind, um auf den ermittelten Handlungsbedarf zu antworten und die damit verbundenen Ziele bzw. erwünschten Wirkungen zu erreichen.
    3. Sie bildet den IST-Zustand bei Projektbeginn dar und ist damit ein wichtiger Orientierungspunkt für die nachfolgende Bewertung der Wirksamkeit der Projektaktivitäten (mehr dazu finden Sie beim Thema: Projektmanagement)

Infobox: Lokale Gesellschaft

Das Bundesprogramm soll den lokalen gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.

Lokale Gesellschaft soll betonen, dass auch in einer räumlich eng begrenzten Bevölkerung natürlich viele unterschiedliche kulturelle und Interessengruppen (Gemeinschaften) zu finden sind. Der Aus-gleich zwischen diesen Gemeinschaften ist ein zentrales Element gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Der Begriff lokale Gesellschaft kann sich auf eine Gemeinde, eine Kommune oder einen Stadtteil beziehen. Er kann aber auch Gruppen und Räumen beschreiben, die sich nicht rein geografisch beschreiben lassen, bspw. Gruppen von Menschen mit gemeinsamen Interessen oder auch virtuelle Welten mit lokalem Fokus.

Was ist beim Erstellen einer Bedarfsanalyse zu beachten?

Eine Bedarfsanalyse ist keine Studie und kann daher auch von kleineren Trägern eigenständig mit einfachen Mitteln durchgeführt werden. Für das Erstellen einer Bedarfsanalyse hilft es, folgende Grundsätze und Leitgedanken zu beachten:

  • Was ist beim Erstellen einer Bedardsanalyse zu beachten?

    1. Eine Bedarfsanalyse muss immer die tatsächliche Lage vor Ort im Blick haben. Allgemeine Annahmen zur Notwendigkeit gesellschaftlichen Zusammenhalts und seinen Bedingungen oder die Integration von Neuzugewanderten begründen keinen konkreten Handlungsbedarf.
    2. Probleme auf nationaler Ebene oder in anderen Kommunen können nicht auf die eigene Situation vor Ort übertragen werden, da dies lokale Gegebenheiten ausblendet.
    3. Statistische Kennzahlen z.B. zur Zusammensetzung der lokalen Gesellschaft, sind nicht ausreichend für eine Bedarfsanalyse, da sie keinen konkreten Handlungsbedarf begründen.
    4. Auch lokale Gesellschaften sind von Vielfalt gekennzeichnet. Wichtig ist bei einer Bedarfsanalyse möglichst viele Perspektiven (Bürgerinnen und Bürger verschiedenen Alters, verschiedener Vereine, Stadtverwaltung, etc.) einzuholen, um ein relativ vollständiges Bild zu bekommen. Hier kann die Methode des "Mapping" (siehe Infobox) hilfreich sein.
    5. Gesellschaftliche Projekte leben davon, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Projektträger, seinen Mitarbeitenden und der lokalen Gesellschaft besteht. Das kann z.B. erreicht werden, indem die Mitarbeitenden selbst vor Ort leben. Aber auch die Bedarfsanalyse ist ein wichtiger Baustein, Vertrauen zu schaffen, sowie komplexe Zusammenhänge und widersprüchliche Bedarfe zu erkennen.

Infobox: Mapping

Ein nützliches Mittel, die Vielfalt der lokalen Gesellschaft darzustellen, ist das Mapping. Überlegen Sie, welche Gruppen (ethnische Gruppen, Interessenvertretungen etc.) und Organisationen (Vereine, Unternehmen, Verwaltungen) im Zusammenleben vor Ort eine Rolle spielen. Zusätzlich können Sie Bekanntschaftsnetzwerke, Konflikte und wichtige Themen (wie z.B. Müllentsorgung oder Spielplätze) eintragen. Überlegen Sie dann, wie all diese Elemente in der lokalen Gesellschaft zusammenhängen. So erhalten Sie eine Karte, die die Verhältnisse in der lokalen Gesellschaft darstellt. Eine solche Karte kann — muss aber nicht — über eine geographische Karte Ihrer Kommune gelegt werden.

Welche Methoden gibt es, um eine Bedarfsanalyse durchzuführen?

Es gibt zahlreiche Wege und Methoden, eine Bedarfsanalyse durchzuführen. An dieser Stelle soll eine kleine Auswahl vorgestellt werden:

  • Methode 1: Online-Umfragen
  • Methode 2: Teilnehmende Beobachtung
  • Methode 3: Open Space
  • Methode 4: Zukunftskonferenz

Diese Methoden können einzeln oder in Kombination angewandt werden.

Methode 1: Online-Umfragen

Kleinere Online-Umfragen helfen, mit relativ geringem Aufwand eine große Vielfalt an Perspektiven darzustellen (siehe dazu auch das Video). Es empfiehlt sich, eine Online-Umfrage-Software zu verwenden. Hier gibt es viele Angeboten, die häufig auch kostenfreie Basisvarianten anbieten und für Ihre Zwecke ausreichend sein sollten.

  • Warum eine Online-Umfrage und keine persönliche Befragung?

    Online-Umfragen haben den Vorteil, dass sie anonym sind und deswegen Antworten begünstigen, die vielleicht nicht laut ausgesprochen werden. Hierdurch erhalten Sie ein genaueres und realitätsnäheres Bild von der Situation vor Ort.

  • Wie sollte man auswählen, wen man befragt?

    Eine selbst erstellte Online-Umfrage ermöglicht es, verschiedene Perspektiven auf die lokalen Problemlagen (Bedarfe) zu erhalten. Es empfiehlt sich, Flyer auszulegen, die Umfrage über Soziale Medien zu verbreiten und diese gezielt mit Personen und Institutionen zu teilen, die für Sie von Interesse sind. Auch hierfür kann das "Mapping" hilfreich sein, um keine relevanten Akteure zu übersehen.

  • Welche Regeln gilt es, bei Umfragen zu beachten?

    Bei Umfragen gibt es ein paar Regeln, auf die man achten sollte:

    • Falls Sie viele Antworten auswerten wollen, dann bieten sich sogenannte "Multiple Choice" - Fragen an. Bei Multiple Choice-Fragen können aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten eine oder mehrere Optionen ausgewählt werden. Multiple Choice-Fragen sind leicht auszuwerten, aber sie bieten auch weniger Chancen, Neues zu lernen.
    • Wollen Sie lieber weniger, dafür aber überraschende Antworten, dann nutzen Sie sogenannte "offene Fragen". Bei offenen Fragen können die Teilnehmenden in einem Text frei antworten. Je mehr offene Fragen vorhanden sind, umso weniger Fragen sollten Sie insgesamt stellen, da die Beantwortung die Befragten mehr Zeit kostet.

    Selbstverständlich können Sie auch einen Mix aus Multiple Choice und offenen Fragen wählen.

  • Wie formuliert man Fragen für einen Online-Fragebogen?

    Bei der Formulierung von Fragen ist es besonders wichtig, dass man auf Neutralität achtet. Man soll den Eindruck vermeiden, dass eine Antwortmöglichkeit erwünschter ist als eine andere. Schließlich geht es darum, den Handlungsbedarf vor Ort zu erkunden. Folgende Regeln helfen bei der Formulierung von Fragen, um den Handlungsbedarf vor Ort gut zu erheben:

    • Fragen möglichst neutral formulieren.
    • Nur eine Information pro Frage abfragen.
    • Keine grammatikalisch negativen Fragen (d.h. Fragen mit "nicht", "kein", etc.) stellen; auch doppelte Verneinungen vermeiden.
    • Einfache Sprache verwenden und Fachbegriffe vermeiden.
    • Die Zielgruppe muss die Frage beantworten können.
    • Wenn sich Fragen auf einen Zeitraum beziehen (z.B. auf Erfahrungen in der Vergangenheit), muss der Zeitraum konkret benannt werden.
    • Fragen kurzfassen, um den Aufwand für die Befragten zu reduzieren.
    • Bei Multiple Choice-Fragen sollen alle relevanten Antwortkategorien auswählbar sein.

    Es empfiehlt sich immer, den Fragebogen von einer dritten Person, z.B. von einer Bekannten oder einem Bekannten testen zu lassen. Dabei können Sie sowohl prüfen, ob die Fragen verständlich sind. Zum anderen können Sie schauen, dass die Online-Umfrage technisch einwandfrei funktioniert.

Methode 2: Teilnehmende Beobachtung

Die Methode der "teilnehmenden Beobachtung" bedeutet, dass Sie dorthin gehen, wo sich Ihre Zielgruppe trifft bzw. gemeinsam aktiv ist und beobachten, wie die Interkation verläuft. Der Hauptgedanke dabei ist, dass man oft mehr daraus lernt, Menschen zu beobachten als ihnen Fragen zu stellen. Sie dürfen auch an den Aktivitäten teilnehmen, um noch mehr Informationen über die Interaktionen zu bekommen. Ihre Beobachtungen halten Sie währenddessen oder im Nachgang in Stichworten fest (auf Notizblock, Tablet oder Smartphone). Wichtig ist, dass bei der teilnehmenden Beobachtung die Vielfalt der lokalen Gesellschaft abgebildet wird.

  • Wie lässt sich eine "Teilnehmende Beobachtung" umsetzen?

    Wie komme ich da hin, wo es interessant ist?

    "Einfach" dahin gehen, wo die Menschen sind, ist leichter gesagt als getan. Es empfiehlt sich, sich mit relevanten Akteuren, d.h. Einzelpersonen und Institutionen zu vernetzen, über die man Zugang zu diesen Räumen erhält. Vernetzung und Vertrauensaufbau sind grundlegend für erfolgreiche Projektarbeit im Bereich gesellschaftlicher Zusammenhalt.

    Die lokale Bevölkerung als Expertinnen und Experten in eigener Sache

    Neben der teilnehmenden Beobachtung der Zielgruppe durch Sie, können die Zielgruppe auch selbst als Expertinnen und Experten in eigener Sache wertgeschätzt und eingebunden werden. Sie wissen in der Regel am besten, wie es um den Zusammenhalt in der lokalen Gesellschaft steht und wo es möglicherweise Handlungsbedarf gibt.

    Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Expertise der Zielgruppe einzuholen:

    1. Zielgruppe bitten, sich bei bestimmten Aktivitäten selbst Notizen zu machen und sie später interviewen.
    2. Zielgruppe bitten, ein Tagebuch über ihre Erfahrungen zu schreiben.
    3. Zielgruppe bitten, Videos oder Fotos über ihre Erfahrungen zu machen. 

    Bei diesen Methoden ist es hilfreich, zusammen mit der Zielgruppe gemeinsame Fragen zu formulieren. Die Fragen helfen dabei, die Beobachtungen einzuordnen und in einer Bedarfsanalyse zu integrieren.

Methode 3: Open Space

Ziel eines Projekts kann es sein, gemeinsam positive Zukunftsvisionen für das Zusammenleben in der lokalen Gemeinschaft zu verwirklichen und hieraus einen Handlungsbedarf abzuleiten. Zur Entwicklung einer gemeinsamen Zukunftsvision für die lokale Gemeinschaft gibt es verschiedene Methoden, um mit größeren Gruppen an einem gemeinsamen Thema zu arbeiten. Diese Verfahren sind aufwändig (bspw. im Vergleich zu den Methoden 1 und 2), dafür kommen hier aber viele Menschen der Zielgruppe zusammen, besprechen gemeinsam den Handlungsbedarf vor Ort und erarbeiten erste Vorschläge, die zur Grundlage von Projekten werden können.

  • Wie läuft das Open Space Format ab?

    Wie läuft das Open Space Format ab?

    Beim Open Space kommen an einem Thema Interessierte zusammen. Die Inhalte der Diskussionen werden ausschließlich von den Teilnehmenden vorgegeben. Nach einer Plenumssitzung mit Themensammlung melden sich Verantwortliche für die Moderation der einzelnen Themen. Alle anderen Teilnehmenden können sich frei auf die Gruppen verteilen und auch im Laufe der Veranstaltung jederzeit zwischen den Gruppen wechseln. Am Ende trifft man sich wieder im Plenum, stellt die verschiedenen Diskussionen vor und kann gegebenenfalls über die Wichtigkeit der Themen und Problemlösungen abstimmen. Die Methode bietet sich besonders an, wenn es bereits Interessierte an einem Thema gibt und Sie ein möglichst breites Meinungsspektrum dieser Gruppe abfragen wollen.

    Weiterführende Informationen

Methode 4: Zukunftskonferenz

Eine weitere Methode neben dem "Open Space"-Format (siehe Methode 3, Open Space) ist das Format der "Zukunftskonferenz". Die Zukunftskonferenz läuft dabei sehr viel stringenter ab und hat höhere Ansprüche an die Moderation. In abwechselnden Klein- und Großgruppenphasen werden zunächst Vergangenheit und Gegenwart der lokalen Gesellschaft reflektiert. Danach werden Visionen für die Zukunft entworfen und dafür konkrete Maßnahmen entwickelt. Am Ende gibt es ein Ergebnis, das bereits eine konkrete Projektidee darstellen kann. Eine vollständige Zukunftskonferenz kann bis zu drei Tage dauern. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Methode zu kürzen, falls Sie von Ihnen angewendet werden soll.

Weiterführende Informationen

Die Bedarfsanalyse ist abgeschlossen – wie stellt man die Ergebnisse im Projektantrag dar?

Unabhängig davon, ob Sie in Ihrer lokalen Gesellschaft eine (Online-) Umfrage oder eine teilnehmende Beobachtung durchgeführt haben oder im Rahmen eines Open Space oder einer Zukunfts-konferenz viele Menschen der Zielgruppe zusammengebracht haben – am Ende haben Sie wichtige Einblicke in die Situation vor Ort erhalten. Diese Erkenntnisse fassen Sie für den Projektantrag kurz und knapp zusammen:

  • Die Bedarfsanalyse ist abgeschlossen – wie stellt man die Ergebnisse im Projektantrag dar?

    • Zeigen Sie, dass Sie mit der Zielgruppe und der lokalen Gesellschaft vertraut sind und ein klares Bild von dem Handlungsbedarf vor Ort haben.
    • Nutzen Sie Ihre gewonnenen Erkenntnisse, um zu erläutern, worin konkret der Handlungsbedarf vor Ort (Problemstellung/Konflikt bzw. gemeinsame Zukunftsvision) besteht und welche relevante Zielgruppe das Projekt deshalb ansprechen soll.
    • Zeigen Sie auf, welche Maßnahmen Sie daraus ableiten und warum.
    • Erläutern Sie, welche Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner Sie in das Projekt einbinden wollen, um erfolgreich zu sein.
    • Stellen Sie überzeugend dar, dass Sie als Träger in der Lage sind, Ihre Zielgruppe mit den geplanten Maßnahmen tatsächlich zur Beteiligung zur motivieren, um gemeinsam auf den Handlungsbedarf zu antworten und den Zusammenhalt vor Ort zu verbessern.