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Veröffentlicht am: Artikel

  • Programm

Integrationsarbeit in der Praxis

Wie baut man ein starkes Netzwerk für Integration und gesellschaftlichen Zusammenhalt auf?

In Netzwerken können Kontakte und Expertise geteilt werden. Integrationsarbeit bzw. die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts sind Aufgaben, die alle Bereiche der Gesellschaft betreffen. Deswegen ist es sinnvoll, dass Integrationsprojekte sich mit anderen Akteuren vernetzen, die weitere Aspekte der Integration behandeln. Netzwerke sind langfristiger angelegt als Projekte. Zum Beispiel kann eine Projektidee sich in einem Netzwerk verbreiten und darüber potentielle Teilnehmende ansprechen oder es können Maßnahmen von Kooperationspartnerinnen und -partnern übernommen oder unterstützt werden.

  • Phasen der Netzwerkarbeit

    1. Die Gründung eines Netzwerkes ist sehr aufwendig. In vielen Kommunen gibt es bereits bestehende Netzwerke im Bereich Integration. Es ist deswegen in den meisten Fällen sinnvoll, sich in existierende Netzwerke einzubringen und die Interessen des eigenen Projektes in diesem Netzwerk stark zu machen. Eine sorgfältige Recherche sollte deswegen vor der Gründung eines eigenen Netzwerks stehen. Existiert noch kein Netzwerk, in das sich das Projekt einbringen kann, ist die Einrichtung einer Koordinierungs- oder Netzwerkstelle (Netzwerkbüro) zu empfehlen. Dafür ist entscheidend, wie viele Akteure von Anfang an in das Netzwerk miteinbezogen werden sollen. Diese Entscheidung hängt davon ab, wie weit verbreitet das Interesse des Umfelds an den Zielen des Netzwerkes ist. Um herauszufinden, welche Form das Netzwerk haben und wer zu welchem Zeitpunkt daran beteiligt werden sollte, kann eine sogenannte Stakeholder-Analyse durchgeführt werden. Das Netzwerkbüro kann zu Beginn von einer Person betreut werden, die den Prozess der Netzwerkbildung anschiebt und die Infrastruktur des Netzwerks errichtet. Die Gründungsphase endet mit einer Auftaktveranstaltung und der Ausarbeitung eines Leitbilds für das Netzwerk.
    2. Die Stabilisierung des Netzwerks umfasst die Bildung von Arbeitsgruppen, die Durchführung regelmäßiger Netzwerkkonferenzen, die Etablierung eines Informationssystems und gemeinsamer Öffentlichkeitsarbeit.
    3. Bei der Verstetigung des Netzwerks geht es darum, den Sinn und die Wirkung des Netzwerks langfristig zu beobachten und neue Akteure dafür zu gewinnen.
  • Was macht ein erfolgreiches Netzwerk aus?

    Bevor man einem Netzwerk beitritt, sollte man folgende Fragen für sich klären: 

    • Gibt es ein Netzwerkbüro, das die Aktivitäten des Netzwerks koordiniert?
    • Existieren angemessene Plattformen, um den Austausch und den Informationsfluss zwischen den Netzwerkpartnerinnen und -partnern sicherzustellen?
    • Wird durch das Netzwerk die Öffentlichkeitsarbeit, die Umsetzung von Qualitätsstandards und die Einführung von Neuerungen erleichtert?
    • Welchen Nutzen ziehen die einzelnen Netzwerkpartnerinnen und -partner aus dem Netzwerk?
    • Welche Ressourcen können gemeinsam genutzt werden?
    • Welche Wirkung hat das Netzwerk im politischen Raum hinsichtlich z.B. der Themensetzung und Meinungsbildung?
    • Besteht Vertrauen zwischen den Netzwerkpartnerinnen und -partnern?
    • Gibt es eine gemeinsame Netzwerkidentität?

    Diese Fragen können natürlich analog auf die Gründung eines Netzwerks angewendet werden.

Wie können Begegnungsveranstaltungen Vorurteile reduzieren?

Eine der wichtigsten Funktionen von Projekten ist, Begegnungen zwischen Menschen zu ermöglichen. Die Bedeutung von Begegnungen erklärt die Kontakthypothese. Sie besagt, dass Begegnungen zwischen Menschen verschiedener Gruppen Vorurteile zwischen diesen verringern. Die Kontakthypothese gilt als eine der gesichertsten Erkenntnisse der Sozialwissenschaften. Aus ihr lassen sich einige praktische Hinweise zur Ausgestaltung von Begegnungsmaßnahmen ableiten.

Infobox: Kontakthypothese

Welchen Einfluss Begegnungen auf Vorurteile haben, hängt von den Eigenschaften der Begegnungssituation ab:

  1. Die Menschen müssen sich auf Augenhöhe begegnen—z.B. dadurch, dass sie sich hinsichtlich Bildung, Vermögen, Fähigkeiten und Erfahrungen ähneln. Wenn die Unterschiede zu groß sind, werden damit nur existierende Vorurteile gestärkt.
  2. Die sich Begegnenden müssen konkrete gemeinsame Ziele kooperativ verfolgen. Sie sollen in keinem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen.
  3. Diese Kooperation muss die Grenzen der beiden sich begegnenden Gruppen übertreten. Das heißt, wenn sich Menschen mit und ohne Migrationshintergrund treffen, sollen sie in gemeinsamen zusammenarbeiten.
  4. Die Begegnung muss durch existierende Autoritäten, Gesetze oder Bräuche legitimiert sein. Die so geäußerten Normen und Werte sollen Kooperation und Toleranz fordern und Abgrenzung ablehnen. Sie sollen außerdem die Begegnung explizit als etwas Positives darstellen.

Heutzutage weiß man um Einschränkungen der Kontakthypothese: Selbst gut geplante Begegnungsmaßnahmen führen nicht notwendigerweise zu einer Reduzierung allgemeiner Vorurteile. Stattdessen kann es passieren, dass lediglich die einzelne Person positiv gesehen und Vorurteile beibehalten werden. Das drückt sich dann aus in der Formulierung: "[Person] ist gar nicht so wie alle anderen [Gruppe, zu der die Person gehört]".

Mit individuellen Freundschaften ist zwar schon viel gewonnen, will man aber gezielt Vorurteile bekämpfen, müssen Begegnungen ergänzt werden durch Workshops, die es erlauben, zu reflektieren, inwiefern die bekannte Person wirklich nur eine positive Ausnahme von der geglaubten Regel ist. Auf dieser Grundlage kann eine Beschäftigung mit der eigenen Identität stattfinden, die zur Entstehung geteilter Identitäten führen kann. Das wird in der Intergruppen-Kontakttheorie ausformuliert.

Infobox: Intergruppen-Kontakttheorie

Neuere Forschung zeigt, dass vier Veränderungsprozesse in einer Kontaktsituation zur Reduzierung von Vorurteilen führen:

  1. Man lernt im Kontakt mit anderen, dass die eigenen Vorurteile nicht zutreffen.
  2. Wenn man etwas Neues tut, dann entwickeln sich auch die eigenen Einstellungen weiter. Man gewöhnt sich an den Gedanken, dass man jemand ist, der interkulturelle Kontakte hat. Das Resultat kann dann sein, dass man seine eigenen Vorurteile überdenkt.
  3. Wenn man positive Erfahrungen macht, stellt man emotionale Beziehungen zu Mitgliedern der Fremdgruppe her.
  4. Man bewertet die Eigengruppe neu. Das Kennenlernen der Fremdgruppe kann dazu führen, dass man merkt, dass die eigene Gruppe weniger perfekt ist, als man vorher angenommen hat.
  • Worauf muss man bei der Konzeption von Begegnungsveranstaltungen achten?

    Eine Begegnungsveranstaltung ist deutlich anspruchsvoller als einfach nur ein nettes Treffen, bei dem Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zusammen Kaffee und Tee trinken. Eine Begegnungsveranstaltung, die das Ziel hat, Vorurteile abzubauen, sollte folgende Eigenschaften haben:

    1. Die Teilnehmenden sollten ihrem Selbstverständnis nach aus verschiedenen, sich deutlich voneinander unterscheidenden Gruppen stammen.
    2. Die Teilnehmenden sollten sich auf Augenhöhe begegnen.
    3. Die Teilnehmenden sollten eine gemeinsame Aufgabe gemeinsam bewältigen.
    4. Die Teilnehmenden sollten gruppenübergreifend arbeiten.
    5. Die Zusammenarbeit sollte von einer Autorität positiv bewertet und ermutigt werden, die von allen Gruppen akzeptiert wird. Hier können Schirmherrschaften für Projekte ins Spiel kommen.
    6. Die Begegnung sollte relativ lang sein oder wiederholt werden.
    7. Die Begegnungsmaßnahme sollte Phasen enthalten, in denen auf die Gruppenzugehörigkeit der Teilnehmenden hingewiesen wird, und solche, in denen eine neue, gemeinsame Identität konstruiert wird.
    8. Die Begegnung sollte so sein, dass alle Akteure sich wohl- und nicht bedroht fühlen.
    9. Es sollten gezielt Teilnehmende eingeladen werden, die sonst eher nicht an Begegnungsveranstaltungen teilnehmen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Begegnungsformate gut geplant und durchdacht sein müssen, um tatsächlich Wirkung zu entfalten.

Welche Rolle können Informationsveranstaltungen und Qualifizierungsworkshops in der Integrationsarbeit spielen?

Generell nimmt Wissen eine große Rolle im Integrationsprozess ein. Neuzugewanderte müssen sich orientieren, eine neue Sprache lernen und sich darüber bewusst werden, wie sie an der Gesellschaft teilnehmen wollen und können. Die Mehrheits- und Vielfaltsgesellschaft muss währenddessen lernen, was es bedeutet, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein, wer da neu hinzukommt und wie ein Selbstbild hergestellt werden kann, dass ein Zusammenleben in Vielfalt ermöglicht.

Informationsveranstaltungen sind in jedem Projekt wichtig, da zumindest die Projektteilnehmenden angesprochen und die Projektideen erklärt werden müssen. Sie können aber auch später eine große Bedeutung in Öffentlichkeitskampagnen haben.

Qualifizierungsworkshops können auch hilfreich sein. Allerdings gibt es im Bundesprogramm eine explizite Trennung zwischen Multiplikatorinnen- und Multiplikatorenschulungen und Projekten. Multiplikatorinnen- und Multiplikatorenschulungen sollen Wissen über zivilgesellschaftliches Engagement, antirassistische und Integrationsarbeit für ehrenamtlich Engagierte vermitteln. In Projekten sind Kursformate dagegen eher zu vermeiden. Projekte sind ein Ort für die kreative Gestaltung des eigenen Sozialraums und weniger ein Ort für Schulungen.

Welche Rolle können Qualifizierungsworkshops trotzdem spielen? Workshops sind ein sehr gutes Mittel, um Menschen dazu zu bringen, zusammenzuarbeiten. Sie müssen aber in andere Maßnahmen eingebettet sein. So können z.B. Workshops genutzt werden, um an das ehrenamtliche Engagement heranzuführen, welches im weiteren Verlauf des Projekts begleitet wird.

Wie funktionieren Buddy-Systeme, Mentoring und Tandems?

Der Zweck von Buddy-Systemen, Mentoring und Tandems

Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat gezeigt, dass die Form des persönlichen Netzwerks von Geflüchteten eine wichtige Rolle bei ihrem beruflichen Erfolg und ihrer persönlichen Einbindung in die Aufnahmegesellschaft spielt. Es ist deswegen ein wichtiges Anliegen des Bundesprogramms, Kontakte herzustellen, die den Teilnehmenden Unterstützung bieten, ohne sie so sehr in Netzwerke einzubinden, dass sie dadurch belastet werden.

Man kann grob zwischen Verpflichtungs- und Unterstützungsnetzwerken unterscheiden.

  • Verpflichtungsnetzwerk

    Verpflichtungsnetzwerke enthalten vor allem Personen, die von den Ressourcen und der Hilfe der jeweiligen Person abhängig ist. Es kann aber auch ein Netzwerk sein, in dem die anderen nicht so sehr auf die zentrale Person angewiesen sind, aber für ihre Hilfe immer eine Gegenleistung erwarten. Das kann z.B. bedeuten, dass für Hausaufgabenhilfe im Gegenzug Babysitting geleistet werden muss. Dadurch kostet jede Inanspruchnahme von Hilfe, die Hilfesuchenden Energie, die sie nicht in anderen Bereichen verwenden können. Ein Verpflichtungsnetzwerk ist deswegen ambivalent. Es kann zwar Hilfe bieten, aber keinen Vorteil.

  • Unterstützungsnetzwerk

    Ein Unterstützungsnetzwerk baut die notwendigen Brücken in die Aufnahmegesellschaft. Die Mitglieder eines solchen Netzwerks verhalten sich solidarisch gegenüber der zentralen Person, ohne Gegenleistungen zu erwarten. Es sind bei der Jobsuche besonders solche Kontakte nützlich, mit denen man keine vielfältigen und engen Beziehungen (wie z.B. mit Familienmitgliedern) hat, sondern eher lockere und professionelle. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der "Stärke schwacher Bindungen". Personen, mit denen man nur gelegentlich zu tun hat, haben oft Informationen, auf die man sonst nicht zugreifen kann. Für Neuzugewanderte und Geflüchtete sind insbesondere solche Beziehungen hilfreich, die ihnen Einblicke in Bereiche geben, zu denen sie sonst keinen Zugang haben.

Unterschiede zwischen den Formaten

Um Unterstützungsnetzwerke aufzubauen, lohnt es sich Menschen mit unterschiedlichen Ressourcen, Erfahrungen und Lebensräumen in Kontakt zu bringen. In Projekten findet dies häufig mithilfe von sogenannten Buddy-Systemen, Mentoring und Tandems statt.

FormatTandemsBuddysMentorinnen und Mentoren
ZielgruppePaare / kleine GruppenPaare / kleine GruppenPaare / kleine Gruppen
InhaltGemeinsames Arbeiten an einer SacheHilfe bei der Orientierung von NeuzugewandertenBeratung bei wichtigen Entscheidungen, Weiterleitung von Netzwerkkontakten
BeispielSprachtandemUnterstützung bei BehördengängenAuswahl eines Ausbildungsplatzes, Vermittlung von Praktika
AnforderungKompetente Partnerinnen und Partner mit ähnlichem StatusPartnerinnen und Partner mit ähnlichem StatusMentorinnen und Mentoren mit Status- und Erfahrungsvorsprung
ZieleKonkreter Lernerfolg, konkrete Veränderung im SozialraumOrientierung und FreundschaftEröffnung von Chancen der persönlichen Entwicklung der Mentees

Jedes dieser Formate hat seinen eigenen Einsatzbereich. Man sollte sich bewusst sein, welche Ziele man verfolgt und dementsprechend das richtige Format auswählen.

Wie können Kunst- und Kultur-Formate in der Integrationsarbeit eingesetzt werden?

Kunst- und Kultur-Formate sind eng miteinander verwandt. Generell haben Kunst-Formate eine stärkere aktive Komponente. Kultur-Formate sind dagegen eher mit dem Konsum von Kunst und fremdkulturellen Produkten beschäftigt. Allerdings haben auch sie eine aktive Komponente. Z.B. wird in Kochformaten gemeinsam gekocht und konsumiert.

Künstlerische Maßnahmen haben einen sehr weiten Einsatzbereich in Projekten für gesellschaftlichen Zusammenhalt. Musik, bildende Kunst, Theater, Film, Zirkus und Literatur genau wie Kultur-Formate (z.B. gemeinsames Kochen oder der gemeinsame Besuch von Theaterstücken) werden in Projekten verwendet, um viele verschiedene Ziele zu erreichen.

  • Ziele von Kunst- und Kulturformaten

    1. Gegenseitiges Verständnis durch gemeinsame Tätigkeiten
    2. Positive Darstellung von Vielfalt in der Öffentlichkeit
    3. Eröffnung von Möglichkeiten für eine kreative Freizeitgestaltung
    4. Arbeit an einer Interkultur
    5. Auseinandersetzung mit eigenen Werten
    6. Vermittlung kreativer Techniken
    7. Verarbeitung traumatischer Erfahrungen
    8. Gestaltung des eigenen Sozialraums
    9. Förderung regionaler Künstlerinnen und Künstler

Die beiden integrativen Momente dieser Maßnahmen kann man zusammenfassen unter den Begriffen der Kompetenzaneignung und der gemeinsamen Aktivität. Wie im Artikel über das Thema Begegnung beschrieben, funktionieren Begegnungen besonders gut, wenn Menschen zusammen an einem Thema arbeiten, das für sie relevant ist und bei dem sie auf Augenhöhe miteinander interagieren können. Durch diese gemeinsamen Aktivitäten werden Kompetenzen entwickelt, das heißt angeeignet.

Wie können Medien-Formate in der Integrationsarbeit eingesetzt werden?

Den Projekten mit Medienbezug ist allen gemeinsam, dass sie ihren Teilnehmenden Medienkompetenz vermitteln. Diese Fähigkeiten sollen eingesetzt werden, um Video-, Audio-, visuelle oder multi-mediale Projekte zu gestalten, die insbesondere mit den Themen Flucht, Migration, Integration, Diskriminierung und Rassismus zu tun haben. Solche Maßnahmen wirken auf zwei Arten:

  1. Die Vermittlung von Fähigkeiten, die für Beruf und politisches Engagement gleichermaßen hilfreich sind und
  2. ehrenamtliche Öffentlichkeitsarbeit für ein erfolgreiches und friedliches multikulturelles Zusammenleben.

Medienkompetenz ist im Alltag und Beruf notwendig

Es gibt es viele Möglichkeiten in den sozialen Medien, relativ unprofessionelle Produktionen (wie Videos) öffentlich zu machen und damit Gespräche anzustoßen. Darüber hinaus sind die erworbenen Fähigkeiten im Medienbereich im Alltag der Menschen wichtig, um zum Beispiel Jobangebote zu finden, Informationen zu erhalten und zu netzwerken. Im besten Fall kann damit der Einstieg in die Medienbranche gelingen.

Infobox: Medienkompetenz

Medienkompetenz bedeutet die Fähigkeit, verschiedene Kanäle (zum Beispiel Facebook, E-Mail-Programm) und ihre Inhalte (z.B. Einträge auf Facebook, E-Mail) kompetent und reflektiert nutzen zu können und in diesen Kanälen zu handeln.

Man kann zwischen instrumenteller und reflektierender Medienkompetenz unterscheiden.

  1. Instrumentelle Medienkompetenz meint, dass man in der Lage ist, Mitteilungen zu versenden und zu empfangen.
  2. Reflektierende Medienkompetenz geht darüber hinaus. Gemeint ist damit die Fähigkeit einer Person, die übertragene Nachricht zu entschlüsseln und zu verstehen. Eine hohe reflektierende Medienkompetenz ermöglicht es z.B. einem Empfänger von Werbeangeboten, die darin verwendeten Manipulationsstrategien zu durchschauen und damit ihre Effektivität zu beschränken. Andererseits kann, wer Strategien der Manipulation kennt, diese auch effektiv bei der Herstellung von Medienprodukten nutzen.
  • Medienkompetenz ist wichtig für die Partizipation an politischen Willensbildungsprozessen

    Eine umfassende politische Integration hängt zuallererst von dem rechtlichen Status einer Migrantin oder eines Migranten ab. Nur Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben das volle passive und aktive Wahlrecht. Politische Partizipation umfasst aber nicht nur die Beteiligung an politischen Prozessen auf allen föderalen Ebenen, sondern auch die Teilnahme an Willensbildungsprozessen (also an politischen Diskussionen darüber, welche Regelungen für die Bevölkerung gelten sollen). Passive reflektierende Medienkompetenz ist wichtig, um zu verstehen, was politisch passiert. Eine aktive instrumentelle und reflektierende Medienkompetenz sind außerdem notwendig, um sich an den Debatten in der öffentlichen Sphäre zu beteiligen.

    Medienkompetenz ist auch für den Einfluss von ehrenamtlicher Öffentlichkeitsarbeit relevant. Sie beeinflusst z.B. wie Migrantinnen und Migranten in öffentlichen Diskussionen und medialen Darstellungen dargestellt werden. Einerseits bedeutet schon die Tatsache, dass Migrantinnen und Migranten in Massen- und sozialen Medien am politischen Diskurs teilnehmen, dass Migrantinnen und Migranten als Medienschaffende angesehen werden — eine Rolle mit einigem Prestige. Andererseits können sie aber auch Geschichten präsentieren, die sonst nicht oder zumindest aus einer anderen Perspektive erzählt werden.

Infobox: Teilhabe an der Öffentlichkeit

Welchen Einfluss Medienprodukte auf öffentliche Debatten haben, hängt von vielen Faktoren ab. Das Overton-Window und die kulturelle Hegemonie sind wichtige Konzepte, um das zu verstehen.

  1. Overton-Window bezeichnet das „Fenster“, in welchem sich die als legitim anerkannten Meinungsäußerungen in einer Gesellschaft befinden. Dieses Fenster kann verschoben werden. Während in einer Öffentlichkeit zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt bestimmte Aussagen als selbstverständlich erscheinen, kann es in einer anderen Öffentlichkeit zu einem anderen historischen Zeitpunkt inakzeptabel oder sogar verboten sein. Wie verschiebt sich das Overton-Window?
  2. Das hängt mit der kulturellen Hegemonie zusammen, also der Frage, wer die öffentliche Sphäre dominiert: Wer kann seine/ihre Meinungen veröffentlichen, ohne Widerspruch zu ernten? Auf wessen Ideen wird gehört? Einerseits handelt es sich also um die Frage, wer die Infrastruktur der Öffentlichkeit (also Zeitungen, Fernsehsender, Internetportale etc.) kontrolliert, andererseits aber auch darum, wem die Medienkonsumierenden sich zuwenden. Es geht also darum, vielfältigen Stimmen Platz und Aufmerksamkeit zu verschaffen. Dadurch kann die positive Darstellung von Menschen mit Migrationshintergrund als selbstverständlicher Bestandteil der deutschen Gesellschaft zur Normalität werden. Medienprojekte im BGZ zielen deshalb immer darauf ab, neue Stimmen in öffentliche Diskussionen einzubringen.

Erklärvideo Integrationsarbeit – Lernen, wie der Zusammenhalt effektiv gestärkt werden kann